Freitag, 3. Oktober 2014

Interpretationsschlüssel zur päpstlichen Personalpolitik



Man kann so einen weltlichen Feiertag auch damit vergeuden, die vielfältigen Ansichten zu den bevorstehenden, jüngeren und etwas zurückliegenden vatikanischen Entscheidungen zu Amtsverschiebungen zu sichten und einer Einordnung zuzuführen (Übersicht).
Der Natur der Sache gemäß äußern sich die von mir rezipierten Kommentatoren ziemlich bis sehr kritisch, wobei die eher Moderaten auf die „Dinge, die wir nicht wissen können“ verweisen, während andere sich fragen, ob man in braunen Gesundheitsschuhen auch einen Pferdefuß verbergen könnte.
Auch wenn ich mir wünschen könnte, dass sich die vertrauensbildende Transparenz nicht nur auf Bilanzen und Finanzangelegenheiten beschränken, sondern auch die im Kirchenvolk emotional besetzten Angelegenheiten umfassen würden, sehe ich doch, dass selbst im weltlichen Bereich solche Punkte eher mit Zurückhaltung behandelt werden.

Im Versuch, trotz aller Unergründlichkeit der Wege der Vorsehung dem Heiligen Geist zuzutrauen, dass er schon wusste, was er tat, als er Papst Franziskus wählen ließ, und den Standpunkt, der die Sicht auf die Sinnhaftigkeit der Personalentscheidungen eröffnet, zu finden, kam ich zu

„Eine Wahrheit, die keiner hören will, nützt nichts“.
Klingt trivial, klärt für mich aber folgendes:

Mehrere Blogs (dieser und jener) vergleichen zwei Videos mit Interviews, eines mit Kardinal Kaspar, eines mit Kardinal Burke. Die Interpretationen sind so verschieden, wie sie sein können; rauslesen kann man aber in beiden Fällen, dass Kardinal Burke als sehr sachlich erlebt wird, Kardinal Kaspar als eher emotional.
Man könnte das abtun, indem man sagt, empathisch und mitfühlend ist gut für ein seelsorgerisches Gespräch, argumentativ sauber und der Wahrheit verpflichtet gut für ein Interview. Dann bekommt Burke den Punktsieg zugesprochen. Er wird aber von Betroffenen als ziemlich hart und unzugänglich erlebt.
Wenn man sich erinnert, dass für die wiederverheirateten-Geschiedenen-Problematik auch von Kardinal Müller allenfalls ein vereinfachtes Verfahren der Eheannullierung akzeptabel scheint, Burke dafür zuständig wäre, aber möglicherweise nicht mitziehen wollte – wäre seine kolportierte bevorstehende Absetzung weniger seinem Eintreten für die Wahrheit als einem Imwegstehen bei deren Verkündigung bzw. der derzeitigen päpstlichen Weise, das zu tun, geschuldet.
Wenn man hoffen könnte, dass Papst Franziskus die Wahrheit gar nicht abschaffen will, sondern lediglich aufhören, sie den Sündern um die Ohren zu schlagen (was ja durchaus einem Fremdbild der Kirche entspricht) und statt dessen das Gespräch mit Fernstehenden und Atheisten sucht, ohne (wie er sagt) sie bekehren zu wollen (aber möglicherweise im Vertrauen darauf, dass die Saat, wenn das Wort Gottes die Gesprächspartner erstmal im Herzen getroffen hat, schon aufgehen werde) – dann würde ein streng an den Gesetzen und weniger an den Betroffenen orientierter oberster Gerichtsherr vielleicht auch ohne böse Hintergedanken ersetzt werden müssen. Einfach weil Wahrheit ohne Barmherzigkeit Härte wäre, und die Kirche so nicht mehr wahrgenommen werden soll, wenn sie die Fernstehenden erreichen will.
Oder wie er selbst sagt: „Ich hoffe, dass mehr als die Furcht, einen Fehler zu machen, unser Beweggrund die Furcht sei, uns einzuschließen in die Strukturen, die uns einen falschen Schutz geben, in die Normen, die uns in unnachsichtige Richter verwandeln, in die Gewohnheiten, in denen wir uns ruhig fühlen, während draußen eine hungrige Menschenmenge wartet und Jesus uns pausenlos wiederholt: »Gebt ihr ihnen zu essen!«“ (Evangelii gaudium 49)

Oder der abgesetzte Bischof von Ciudad del Este (Überblick mit weiteren Verweisen hier). Da ist es besonders schade, denke ich, dass er sein anscheinend so fruchtbringendes Wirken abbrechen muss. Und nachdem ich mich durchgelesen habe, u.a. die Erklärungen auf der Webseite der Diözese (hier auf Englisch übersetzt), komme ich zum Schluss, dass man eigentlich besser das gesamte sonstige Episkopat in Paraguay ausgetauscht hätte, wenn denn der Streit unter den Bischöfen wirklich der Grund für die Absetzung war.
Allerdings kann keiner sagen, er habe nicht gewusst, was auf ihn zukommt, denn der gegenwärtige Papst hat in seinem Regierungsprogramm (EG 226-228) geschrieben: „Dies ist der beste Weg, dem Konflikt zu begegnen: Es ist die Bereitschaft, den Konflikt zu erleiden. … Das kann aber nur durch die großen Persönlichkeiten geschehen, die sich aufschwingen, über die Ebene des Konflikts hinauszugehen und den anderen in seiner tiefgründigsten Würde zu sehen.“
Und da hat möglicherweise der Bischof Rogelio mit dem Hinweis, dass der Erzbischof von Asunción, der die Neuverhandlung eines mit Freispruch des Generalvikars von Ciudad beendeten Verfahrens wegen des Vorwurfs homosexueller Praktiken (der auch von mehreren weltlichen Gerichten abgewiesen wurde) nach dem Papstwechsel gefordert hatte, selbst doch wegen des gleichen Vorwurfs tatsächlich vor (weltliche) Gerichte gebracht worden war, etwas über das Ziel hinaus geschlagen.

In beiden Fällen dürften die beiden Würdenträger zwar von der Sache her Recht haben. Sie sind von ihrem Charakter aber wohl weniger für die Neuevangelisierung geeignet.

Für mich beruhigend, nach den oft geäußerten Befürchtungen, das Erbe des Heiligen Vaters Benedikt solle ausgelöscht werden …

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen